Stimme der
Orthodoxie

Internetversion der Zeitschrift "Stimme der Orthodoxie" der Russischen Orthodoxen Diözese Deutschlands des Moskauer Patriarchats

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"Stimme der Orthodoxie", Stimme 3/1971, Predigt

 

Einkehr und Umkehr

Noch ist die frohe Zeit des Kirchenjahres, die sogenannten heiligen Nächte zwischen der Geburt Christi und der Taufe des Herrn, frisch in unserer Erinnerung. Es fällt uns immer wieder schwer, ja bereitet uns Schmerz, wenn wir von diesen Hochfesten Abschied nehmen müssen. Wie gern würden wir in der heiligen Gruft zu Bethlehem verharren und gemeinsam mit den Hirten das göttliche Kind betrachten, das in der Krippe liegt (Luk. 2, 16), oder ihrer Erzählung von der Menge der himmlischen Heerscharen lauschen, die Gott gepriesen haben mit den Worten "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen" (Luk. 2, 13-14).

Wie gern würden wir auch am Ufer des Jordans stehen, in der Nähe des geistesmächtigen Propheten und Täufers Johannes, und in der Schar des dort versammelten Volkes, auf seine erhobene Hand blicken, die auf den näherkommenden Christus weist, während sein Mund spricht: "Siehe, das ist Gottes Lamm, das die Sünde der Welt trägt" (Joh. 1, 29). Wir würden hernach gern das Zeugnis Johannes vernehmen, der den Geist vom Himmel wie eine Taube herabkomnien und auf Ihm verweilen sah (Joh. 1, 32). Und schließlich sprächen wir eins im Glauben mit dem heiligen Johannes dem Vorläufer das Bekenntnis zu unserem Herrn Jesus Christus : "Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt" (Joh. 1, 29).

Doch die Zeit geht unaufhaltsam dahin. Schon ist der erste Monat des neuen Jahres verflossen. Nicht einmal in Gedanken können wir an der Krippe Christi stehen bleiben noch uns an den Wassern des Jordans aufhalten. Wir haben den Weg unseres Lebens durch die Zeit zu gehen. Christus, der Erlöser. Sohn Gottes unwandelbar und Gott selbst, trat, nachdem Er in die Welt eingetreten war und freiwillig sich den Veränderungen unterzogen hatte, die das menschliche Wachstum mit sich bringt, Seinen irdischen Lebensweg an und vollendete damit in der Zeit den ewigen Plan unserer Erlösung und Rettung.

Wir können nur eins : in unserem Herzen das gesegnete Erleben der lichten Festtage bewegen und die hohen Ereignisse der Geburt Christi und der Taufe des Herrn im Gedächtnis behalten.

So gesehen, vermögen wir, wenn auch nur in einem geringen Maße, innerlich zu handeln, wie der Evangelist von der allerreinsten Gottesmutter berichtet, wenn er schreibt : "Maria aber bewahrte alle diese W orte und bewegte sie in ihrem Herzen" (Luk. 2, 19.51).

Heute nun sind wir durah die Gnade Gottes im Flusse der Zeit zu einem Augenblick gekommen, von dem uns die frohe Botschaft des Evangeliums im Blick auf einen körperlich schwachen Menschen berichtet. Ein Mann energischer Taten, dessen Leben nicht gerecht war, wird uns als Beispiel vorgestellt, weil in seinem Leben eine tiefe Veränderung vor sich ging.

Es handelt sich um Zachäus, den reichen Vorsteher der Zöllner und Steuereinnehmer. In ihm war eine wunderbare Wandlung vor sich gegangen. Sein Leben verlief im geschäftigen Alltag. Er nahm Geld ein, überwachte andere Steuereinnehmer und sorgte für seine persönliche Bereicherung; darin erschöpfte sich sein Leben. In der öffentlichen Meinung galt Zachäus wenig.

Man hielt ihn für einen Sünder schlechthin (Luk. 19, 7). Als dieser Mann von der Predigt und den Wundern des Herrn Jesus Christus hört, von der Herrschaft Gottes, über die er bisher niemals nachgedacht hatte, bricht die Sehnsucht nach dem Heil und der Rettung seines Lebens übermächtig durch.

Diese neuen, so klaren und die menschliche Natur aufrichtenden Worte zündeten in der Seele des Zachäus. Er wartete, je länger je mehr, auf den Tag, da Christus Selbst durch die Stadt kommen sollte, in der er lebte: durch Jericho. Doch der Erlöser, für jeden erreichbar, schien durch die Menge des Volkes von Zachäus getrennt. Klein von Wuchs konnte Zachäus nicht einmal von ferne den Herrn sehen. Kühn überwindet er jede falsche Scham und sieht nicht auf den zu erwartenden Spott seiner Umgebung. Wie ein Knabe klettert er auf einen Baum und wartet hier, bis Jesus Christus, der Herr, vorübergehen wird. Mehr wollte er zunächst nicht. Das andere kam von selbst. Der Herr sieht das Herz des Menschen an, das weit geöffnet ist, um Ihn aufzunehmen.

Er wendet Sich an ihn, als Er im Begriff ist, unter dem Baum vorbeizugehen, auf den sich Zachäus begeben hat : "Zachäus, Steig eilend herab, denn Ich muß heute in deinem Hause einkehren" (Luk. 19, 5). Mit diesen Worten wurde jene Energie geweckt, über die Zachäus verfügte und die er nun zum Tun des Guten gebrauchen wollte. Mit Freuden nahm er

den Herrn Jesus Christus in seinem Hause auf, verteilte die Hälfte seines Reichtums an die Armen und gab von der übrigen Hälfte allen vierfältig zurück, die er hintergangen hatte. Des Zachäus tatkräftiges Handeln wird vom Heiland mit den Worten bekräftigt : "Heute ist diesem Hause Heil widerfahren" (Luk. 19, 9).

Wir wollen, liebe Brüder und Schwestern, darauf achten, daß Zachäus im gleichen Lebensbereich wie früher fortfährt zu handeln - und dennoch auf ganz andere Weise. Er ist nicht ein Mann des geistigen, sondern vielmehr des praktischen, materiellen Lebens. Wie früher versammelt er Gäste in seinem Haus, richtet ein Mahl, wirtschaftet mit Geld, und dennoch welch Unterschied. Denn früher tat er dies allein um seinetwillen, aus egoistischen Absichten, während er jetzt ein ganz anderes Ziel vor Augen hat, nämlich den Menschen Gutes zu tun um des Herrn Jesu Christi und der Herrschaft Gottes Willen.

An diesem Mann wollen wir uns ein Beispiel nehmen. Jeder von uns ist von Gott mit reichen Gaben ausgerüstet worden, ja wir wissen oft gar nicht, wie reich wir sind! Gott gab uns das Leben. Er gab uns die Zeit - viele Jahrzehnte stehen uns zur Verfügung. Von Ihm kommen uns Gesundheit und Kraft, wir haben die Möglichkeit, sinnvoll zu wirken, und schaffen durch emsige Arbeit materielle und ideelle Werte. Wir wollen keine Egoisten sein.

Laßt uns vielmehr unsere Arbeit und unser Vermögen, den Ertrag unseres Schaffens, zum Nutzen der Menschen gebrauchen. Wir wollen nicht allein für unsere Nächsten sorgen, sondern unsere Arbeit darf sich gründen auf der Liebe zur Heimat. Sie möge wachsen und gedeihen, reich und stark werden. Dies ist ein Reichtum ohne Sünde, weil unser Vaterland uns reich versorgt wie eine Mutter ihre Kinder. An einem Gut, dessen die Menschen so sehr bedürfen, gebricht es heute der Welt. Dieses Gut ist der Friede. Ihn aber, den heiß ersehnten Frieden, bauen wir mit unserer Arbeit und Kraft. Laßt uns Gottes Beistand über unser Werk herabrufen, daß wir im Segen

vorankommen und Gott uns schenken möge, was in unseren Kräften liegt und was unsere Kräfte übersteigt. So tatenfroh schaffend in dieser materiellen Welt und den Weg unseres Lebens durch die Zeit nehmend gelangen wir, mit Gottes Hilfe, zu den Ufern einer neuen, besseren Welt, der Herrschaft Gottes, des ewigen Heils.

Metropolit Ioann von Jaroslawl und Rostow

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Predigt in der zweiten Woche der großen Fasten.

In der heutigen Evangeliumslesung hörten wir, Brüder, die Erzählung von der Heilung des Gichtbrüchigen in Kapernaum durch den Herrn Jesus Christus (Mk. 2, 1-12).

Christus lehrte in einem Haus das Volk. Über Ihn, den großen Wundertäter, hatte sich schon überall die Kunde verbreitet, und eine Menge Volks kam zu Ihm. Das Haus war so dicht umlagert, daß es unmöglich war, einzutreten und zu Jesus zu gelangen. Und siehe, vier Männer trugen einen Gichtbrüchigen herbei, der sich nicht selbst bewegen konnte, auch nicht die Kraft hatte, von seinem Bett aufzustehen. Sie wollten unbedingt zu Jesus gelangen, sie wollten mit Ihm zusammentreffen, um die Heilung des Kranken zu erbitten.

Die Hoffnung brannte im Herzen. Wenn man nur durchgehen könnte, wenn man Ihn nur sehen könnte . . . So stark war ihr Glaube an den Herrn, und so stark war die Hoffnung, daß Er dem Kranken helfen würde, daß kein Hindernis sie davon abhalten konnte. Sie kletterten auf das Dach des Hauses, öffneten die Decke und ließen von dort das Bett mit dem kranken Gichtbrüchigen zu Jesu Füßen herab. Als Jesus diesen Glauben der Männer sah, heilte Er den Gichtbrüchigen und vergab ihm seine Sünden, die offensichtlich die Ursache seiner Krankheit waren. Und der Kranke, der vorher nicht einmal die Möglichkeit hatte, sich zu bewegen, stand auf, nahm sein Bett und ging hinweg. Dadurch versetzte er alle, die sich daselbst befanden, in Erstaunen, so daß sie Gott um des großen Wunders willen verherrlichten.

Nicht ohne Absicht bietet uns die heilige Kirche diese Evangelienlesung in den Tagen der großen Fasten an, in den Tagen der Buße und des Gebetes um die Vergebung unserer Sünde. Auch unsere Seele gleicht dem Gichtbrüchigen aus dem Evangelium: Die Sünden ketten sie so an die Erde, daß sie sich selbst nur mit Mühe auf dem Weg des Guten bewegen kann. Allein die heilbringende Hilfe Gottes kann uns die Kraft geben, auf dem Weg der göttlichen Gerechtigkeit zu wandeln. Wie aber schüttelt man dieses Joch ab, das uns umgibt, und die uns bedrückenden irdischen Mühen, Sorgen und Bindungen, die uns vom Herrn abdrängen ? Wie kann es geschehen, daß wir Sünder, verdunkelt durch Makel und Leidenschaften, dieser Barmherzigkeit des Herrn, der umgeben ist von unzählbaren himmlischen Kräften und der Schar der Heiligen Gottes, für würdig befunden werden? Wie nähern wir uns diesem Licht und dieser Heiligkeit ? Das heute verkündete Evangelium zeigt uns den Weg. Seht, wie groß der Glaube des Kranken und derer war, die ihn hinzutrugen, wie stark war ihre Hoffnung auf Heilung! Sie überwandten alle Hindernisse und erlangten Heil.

So auch wir - wenn lebendiger Glaube an den Herrn in uns glüht, wenn wir unverrückt auf Seine Barmherzigkeit hoffen und so fest unsere Heiligung begehren, daß wir alle Hindernisse, Anfechtungen und Versuchungen überwinden. Wo immer wir uns von dem entfernen, was uns zur Sünde zwingt und hinabzieht - wird auch uns nach unserem Glauben geschehen. Der Herr ist gütig und barmherzig, Er erhört unsere inbrünstigen Gebete und erfüllt unsere innigsten Wünsche gnädig. Wie den Gichtbrüchigen reinigt Er uns von den Verfehlungen und hilft zu einem guten Leben in Christi Nachfolge. Amen.

Leonid, Erzbischof von Riga und Lettland

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